OFFENER BRIEF AN DAS FERNSEHEN DER ITALIENISCHEN SCHWEIZ

04.04.2018 16:08

 

 

 

ABGEKLEMMTES MIKROFON

am Gedenkanlass für fürsorgerische Zwangsmassnahmen in Bellinzona

Offener Brief an das Fernsehen der Italienischen Schweiz

 

 

Herr Direktor Maurizio Canetta

Vor 10 Tagen, am 27. März 2018, hat die politische Behörde des Kantons Tessin zu einem Gedenkanlass für die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen geladen. Der Anlass fand im Saal des Grossen Rates in Bellinzona statt.

Regierungspräsident Manuele Bertoli und Parlamentspräsident Walter Gianora haben in ihren Reden das Unrecht benannt und sich bei den Opfern entschuldigt.

Als Direktbetroffener und stellvertretend für die vielen Opfer durfte ich am Gedenkanlass eine Rede halten. Doch kurz bevor ich ans Rednerpult trat, demontierte ein Techniker des Fernsehens das Mikrophon mit welchem die Reden von Bertoli und Gianora fürs TV aufgezeichnet wurden. Darauffolgend verliess das TV-Team den Saal. In der TV-Berichterstattung blieb meine Rede unerwähnt.

Lange haben die Opfer geschwiegen. Sei es aus Scham oder verinnerlichter Schuldzuschreibung. Jetzt, wo sie endlich den Mut gefunden haben ihre traurigen Geschichten zu erzählen hat es das Fernsehen nicht für nötig befunden ihnen zuzuhören. Ein skandalöser Vorgang, unsensibel und ungerecht. Von der journalistischen Sorgfaltspflicht ganz zu schweigen.

Ich erlaube mir, Ihnen meine Rede beizulegen.

Mit freundlichen Grüssen,

Sergio Devecchi