Weihnachten 2012 in Kigali (Rwanda)

24.12.2012 20:00

Montag, 17. Dezember 2012: Nach langem Flug über Brüssel gestern am Abend heil in Kigali (Rwanda) gelandet. Eugen und Angelique’s Vater, Jean, holen uns ab und bringen uns ins Hotel Millecollins. Es ist warm hier, wie im Sommer. Das Hotel sehr angenehm, fast luxuriös.

 

Eigentlich sind wir nach Afrika gekommen, um Hochzeit zu feiern. Doch weil die Papiere der Braut nicht den Wünschen der Rwandischen Behörden entsprachen, mußte sie kurzfristig auf die Reise verzichten. Angelique  ist vor 10 Jahren, zusammen mit ihrer Schwester Liliane, aus Rwanda geflüchtet. Sie studiert und wohnt in Belgien und hat vor 6 Monaten  in der Schweiz geheiratet. Liliane und Eugen, der ebenfalls aus Rwanda geflüchtet ist, und jetzt mit seiner Familie in Holland lebt, sind nach vielen Jahren wieder zu Besuch in ihrer Heimat. Auch die vier Kinder haben sie mitgenommen.    

 

Dienstag, 18. Dezember, 2012: Wir sitzen auf der Terrasse des Hotels und warten auf Eugen. Wie alle Afrikaner hält er es mit der Pünktlichkeit nicht so streng. Fahrt ins Zentrum, Geld wechseln! Den ersten Eindruck von der Stadt: Chaotisch und laut. Ohne Begleitung wird es uns schwer fallen, dort spazieren zu gehen. Wir müssen uns langsam herantasten, an diese arme Welt, von der wir eigentlich gar keine Ahnung haben. Im Hotel viele weiße Menschen; Kolonialismus der modernen Art? Am morgen schüttet wie aus einer Dusche. Jetzt, drei Uhr am Nachmittag, scheint wieder die Sonne. Ein schöner Blick vom Zimmer aus auf die Stadt Kigali.

 

Mittwoch, 19. Dezember, 2012: Mit Eugen, dem Mann von Liliane, der Schwester von Angelique, und ihrem Vater durch Kigali gefahren, bis hinauf zu den Hügeln. Wunderbare Sicht auf die Stadt. Ein junger Soldat führt uns durch die Gegend, begleitet von seinem Adjutanten, dem Schuhputzer. Er muß den Sendermast von Radio Rwanda bewachen.

Hier oben wurden während des Genozid die Regierungsmitglieder abgeschlachtet, nachdem der Präsident von Rwanda beim Landeanflug auf Kigali abgeschossen wurde. Der Regierungspalast steht noch, durchlöchert von Bomben. Auch der Pool des Präsidenten und das Becken, in welchem die Krokodile planschten, sind noch vorhanden. Darin spielen heute magere und verdreckte Kinder. Unterhalb des zerbombten Palastes wurde ein Memorial errichtet, wo die ermordeten Politikerinnen und Politiker begraben sind. Alles Frauen und Männer mit Jahrgang 46 bis 55. Minister, Richter, hohe Beamte. Eugen kannte sie alle. Dazwischen die Massengräber von Hunderten von Tutsis und vernünftigen Hutus. Die Fahrt auf den Hügel  sehr abenteuerlich. Überall Menschen, arme Menschen, gelangweilte Menschen ohne Arbeit und ohne Zukunft. Sie wohnen in erbärmlichen Hütten ohne Strom und ohne Wasser. Die Kinder winken uns zu, sprechen fetzen von Englisch und erwarten als Gegenleistung wohl Münzen oder Süßigkeiten.

 

Am Abend zuvor Besuch bei Jean, dem Vater von Angelique. Ein sehr armes Quartier, mitten in Kigali. Die Strasse holprig. Auch hier viele junge Leute die einfach dastehen, scheinbar ohne Ziele. Angeliques Vater wohnt in einem kleinen Haus, ein besseres Haus, verglichen mit den Hütten rund rum. Die Ausstattung ist karg, der Raum fast dunkel. Das einzige moderne scheint der Fernseher zu sein. Eine große Schar von Kindern wird uns vorgestellt, allesamt mit Angelique verwandt. Auch die Frau von Jean ist anwesend und andere Frauen. Sie sitzen einfach da, reden in ihrer Sprache und scheinen glücklich zu sein. In der Dämmerung verabschieden wir uns, der Mücken wegen, die bereits zum Angriff über gegangen sind. Die Nacht fällt in Kigali buchstäblich vom Himmel. Wir tasten uns zurück zum Auto, das für ein paar wenige Rwandische Francs von Jungen für uns bewacht wurde, vorbei an nicht beleuchteten Häusern. Das wenige Licht das wir wahrnehmen, kommt von den Natels, die den Einheimischen auch als Taschenlampen dienen. 

 

Das zentrale Genozid-Memorial in Kigali besuchen wir anderntags. Ein großes Areal mit tausenden von begrabenen Menschen. Ein geöffnetes Loch gibt uns den Blick frei in eines dieser Massengräber und zeigt uns das Ausmaß der Tragödie von damals. Haufenweise Särge aufeinander gestapelt, bedeckt mit gestickten Tüchern. Es sollen hier Hunderttausende von Tutsis begraben sein, Frauen, Männer, Kinder. In vier Monaten, damals, im Jahre 1994, wurden in Rwanda eine Million Menschen im Zuge des Genozid ermordet. Das Memorial zeichnet die Geschichte dieser schrecklichen Zeit aufs genaueste nach. Man sieht ein Rwanda vor der Kolonialzeit, ein bescheidenes und glückliches Volk. Man sieht ein Rwanda während der Kolonialzeit, beherrscht von Weißen (Deutsche, Belgier, Franzosen)und man sieht ein zerstörtes Rwanda, in bitterster Not alleine gelassen von der internationalen Staatengemeinschaft. Schreckliche Bilder und Filme von Hasserfüllten Menschen, die mit Macheten, Gewehren und anderem "Werkzeug" Jagd auch Tutsis machten. Man sieht riesige Felder übersät mit entstellten Leichen. Beim Anblick der Fotos von ermordeten Kindern brechen Jean und Eugen in Tränen aus. Sie haben viele ihrer Verwandten während des Genozid verloren und dem Grauen, damals, direkt in die Augen gesehen. Beim Mittagessen erzählen sie uns ihre Geschichte. Wir sind tief berührt.

 

Am Abend des dritten Tages besuchen wir die Schwester von Eugen. Die Fahrt dorthin ist ein erneutes Abenteuer. Doch Eugen steuert uns sicher durch den chaotischen  Abendverkehr von Kigali. Tausende von Motorrädern schlängeln an uns vorbei. Man muß aufpassen, daß keiner dieser Kamikazefahrer unter unsere Räder kommt. An Kreuzungen gilt das Gebot des Stärkeren und Mutigeren. Das Haus der Schwester liegt durch Mauern geschützt und gut getarnt inmitten eines weiteren Armenviertels. Fenster, Türen und das Gartentor sind streng verriegelt. Doch drinnen weht ein Hauch von Luxus. Alles ist fein säuberlich hergerichtet. Man offeriert uns Cognac vom feinsten. Hier also wohnt Eugen mit seiner Familie während des einmonatigen Aufenthaltes in Kigali. Sie sind wohl hier, ist es doch ihre Heimat, die sie vor mehr als 10 Jahre verlassen mußten.

 

Heute Abend haben wir die ganze Familie von Eugen und Jean zum Essen eingeladen. Ca. 30 Personen werden es sein. Wir sind sehr gespannt, in was für ein Restaurant uns Eugen führen wird. Alle freuen sie sich, ist doch der Besuch eines Restaurants in Kigali für die meisten Menschen eine unerschwingliche Angelegenheit. Und morgen  steht uns ein Fahrer zur Verfügung, mit welchem wir einen kleinen Teil von Rwanda erkunden werden. Denn ohne Begleitung wären wir wohl überfordert. 

 

Rwanda ist ein armes Land, doch verglichen mit anderen afrikanischen Staaten ein wohl organisiertes Land. Alle Menschen müssen krankenversichert sein. Die Schulbildung ist für alle Kinder bis zur dritten Primarklasse obligatorisch und gratis. Das bedeutet, daß auch die Kinder in den entlegensten Gebieten zur Schule müssen. Die Korruption scheint weniger verbreitet als anderswo, weil die Sicherheitskräfte straff geführt und streng sind. Man sieht auf der Strasse nirgends Motorradfahrer ohne Helm und Autofahrer die nicht angegurtet sind. Es fällt auf, daß Kigali und seine Umgebung relativ sauber gehalten werden. Es wird nicht einfach alles auf die Strasse geworfen. Auch in den ärmsten Gegenden die wir mit Eugen besucht haben, herrscht Sauberkeit. Und alle Menschen sind uns gegenüber sehr zuvorkommend. Nicht nur im Hotel, auch auf der Strasse und in den Armenvierteln. Man grüßt uns, lächelt uns zu und versucht mit uns ins Gespräch zu kommen. Leider ist da die Sprache, die uns entzweit. Viele Rwandese sprechen einen Dialekt der nicht verständlich ist. Englisch und Französisch beherrschen viele, aber doch nicht alle. 

 

Freitag, 21. Dezember, 2012: Herrliches Wetter. Die Sonne scheint und es ist warm. In Rwanda ist immer Sommer. Eugen sagt, daß das die große Ressource der Menschen in diesem Lande sei. Davon zehren sie. Gestern großes Diner mit allen Verwandten im Restaurant "Giraffe" in Kigali. Es kommen 23 Kinder und sieben Erwachsene. Eine stattliche Gesellschaft. Alle stellen sie sich mit Namen vor, die wir bald fast alle wieder vergessen haben. Wer gehört zu wem? Eugen und Jean erklären es uns. Da ist die Schwester von Eugen, Charlotte, mit ihren 4 Kindern. Sie hat ihren Mann vor Jahren verloren. Weshalb, wissen wir nicht. Nun muß sie ihre Kinder alleine ernähren. Charlotte arbeitet bei einer Kigalesischen Versicherung. Man erzählt uns das mit großem Stolz. Für eine Witwe mit vier Kindern sei es sehr schwierig, einen Mann zu finden, meint Jean. Dann ist da die Schwester von Angelique. Sie sitzt weit unten am großen Holztisch, so daß wir keine Gelegenheit haben, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Jean, der Vater von Angelique, ist mit seiner großen Familie gekommen. Er scheint sehr stolz auf sie zu sein. Seine zweite Frau sitzt ihm gegenüber, doch die beiden reden den ganzen Abend kein Wort miteinander. Eugen ist mit Liliane und den vier Kindern da. Auch hat er einen Freund mitgebracht. Dieser bedankt sich nach dem Essen überschwenglich bei mir, es ist mir fast peinlich! Ich mache Fotos von allen und zum Schluß noch ein Gruppenfoto draußen vor dem Restaurant. Das Licht ist sehr karg, wie üblich in Kigali, so daß ich nicht weiß, ob aus dem geknipsten Bild etwas geworden ist. Das Essen ist gut. Fleischspieße mit Kartoffeln und Grünzeug. Die Kinder trinken Coca Cola oder Orangina, wir Erwachsenen ein Glas Wein. Jean trinkt zum Essen Tee mit Milch. Er wolle keinen Alkohol mehr trinken. Auch mit dem Rauchen habe er vor Jahren ganz aufgehört. Jean will fit bleiben, er hat ja noch vieles vor mit Familie und Arbeit. Während des Essens zeigen wir auf dem iPad die Fotos von Angelique`s und Silvan´s Hochzeit vom Mai dieses Jahres. Alle wollen sie teilhaben. Die Kinder kichern und lachen, beim betrachten der Fotos und die Erwachsenen freuen sich sehr. Doch über allem schwebt Trauer darüber, daß Angelique und Silvan jetzt nicht unter uns sein können. Jean meint tröstend, daß das heutige Nachtessen fast wie eine kleine Hochzeitsfeier sei und daß Angelique und Silvan im Geiste sicherlich unter uns seien. Alle stimmen dem zu. Dann fahren wir mit Eugen die holprige Strasse hinauf und münden in eine wundervolle Allee, während die restliche Gesellschaft im Dunkel der Nacht von Kigali entschwindet. Eugen meint, daß diese Prachtstrasse für den Präsidenten gebaut worden sei, als sichere Verbindung zwischen seinem Arbeitssitz, hoch oben über Kigali und seinem Wohnort, ganz in der Nähe unseres Hotels. Auch hier im armen Rwanda wissen die Mächtigen sich schön einzurichten. Den Abend lassen wir an der Hotelbar im Garten ausklingen. Es spielen Afrikanische Musiker fetzige Lieder.

 

Heute holt uns unserer Fahrer im Hotel ab. Mit einem klapprigen Auto der Marke Toyota - alle Autos in Kigali sind Toyotas - steuern wir vorerst ins Zentrum der Stadt. Der Fahrer muß dieses Auto vor vielen Jahren direkt in Japan gekauft haben, denn er steuert es auf dem rechten Sitz sitzend. Wie er es wohl schafft, in diesem dichten chaotischen Verkehr? Problemlos gelangen wir ins Zentrum, parkieren in einem Parkhaus, und steigen die Treppen hoch zu den Läden und Restaurants eines afrikanischen Einkaufszentrums. Überall werden die Menschen mit Metalldetektoren nach Waffen und Sprengsätzen abgetastet. Auch die Autos werden davor nicht verschont. Beim Mittagessen, im Einkaufszentrum, erzählt uns der Fahrer von seiner Familie, von seinen zwei Kindern und von seiner Arbeit als gelegentlicher Chauffeur für Umusungos (weiße Menschen). Viele dieser Umusungos seien hier in Rwanda um Geschäfte zu machen. Rwanda möchte die Infrastruktur des Landes verbessern, damit Investoren ins Land kommen. Sicherheit und Sauberkeit sei das oberste Gebot. Präsident Kagame und seine Regierung setzten alles daran, daß dieses Ziel erreicht werde. Eugen hat uns erzählt, daß der für die Umwelt zuständige Minister gelegentlich inkognito in der Stadt unterwegs sei um zu kontrollieren, ob die Bürgerinnen und Bürger den Weisungen der Regierung Folge leisten würden. Man meint es offenbar ernst. Es erstaunt deshalb nicht, auf der Rückfahrt ins Hotel an vollbeladenen Lastwagen mit Soldaten und Polizisten vorbei zu kommen. Alle tragen sie Schusswesten und Maschinenpistolen. Auch an Kreuzungen stehen zahlreiche Soldaten und Polizisten schwer bewaffnet herum. Der Fahrer klärt uns auf: Vor Einbruch der Dunkelheit würden diese Soldaten und Polizisten in die armen Quartiere überall in der Stadt verlegt. Sie sorgten für Ruhe und Ordnung während der Nacht. Allzu gerne hätte ich eine solche "Wagenladung" Soldaten fotografiert. Doch der Fahrer rät mir dringlichst davon ab. Zu gefährlich! Auch als wir am morgen im Hotel Eugen auf den Konflikt in Goma ansprechen wollten, wo Rebellen, unterstützt von Waffenliefernden Rwandesi, gegen die Regierung Kongos Krieg führen, mahnt er uns zum Schweigen. Man dürfe darüber nicht offen reden, denn das könnte unangenehme Folgen für uns haben. Wir lernen von Tag zu Tag Neues. Nach dem Mittagessen im Einkaufszentrum fahren wir durch das arme Kigali hinauf zu den Schönen und Reichen. Vorbei an vielen Ministerien, vorbei an Kagame´s Amtssitz, vorbei an den wichtigsten Botschaften und vorbei am "King Faisal Hospital", das schön gelegen ist, inmitten vieler Prachtbauten. Ich denke, daß hier, in diesem Spital, nicht gewöhnliche Rwandesi behandelt werden. Zu proper strahlt die Fassade ins Grüne. Vereinzelt sieht man in dieser Gegend auch Jogger, was wohl auf Wohlstand schließen läßt, in diesem armen Land. Und dann, plötzlich, tauchen die Prachtvillen auf, von denen uns Angelique erzählt hat. Sie verbergen sich hinter hohen Mauern und Hecken. Videoüberwachung ist Standard. Als wir das Fahrzeug verlassen, um die Anwesen näher zu betrachten, tauchen plötzlich Wachmänner auf. Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Einige der Häuser sind sogar mit Stacheldraht umzingelt. Trotzdem gelingt es mir, ein paar Fotos zu machen. Ich wollte den Gegensatz von Arm und Reich in diesem Land unbedingt festhalten.

 

Gestern, vor dem Dinner mit den Familien von Jean, Charlotte und Lilian, mußte ich noch schnell Geld wechseln. Wir fahren in ein Viertel der Stadt, das von Menschen nur so wimmelt. Jean begleitet mich in eine Wechselstube. Es stinkt fürchterlich nach Schweiß. Jean umarmt einen Mann, heißt in, den Wechselkurs unseren Wünschen anzupassen, ansonsten er wieder gehen würde. Und plötzlich bin ich im Besitze eines großen Bündels Rwandischer Francs. Sie sind mit einer Maschine gezählt worden. Soll ich nachzählen? Jean hilft mir aus dieser peinlichen Situation; er zählt die vielen Noten und gibt sein o.k. Alle umarmen wir uns wieder, und weiter geht die Fahrt. Ein eindrückliches Erlebnis.

 

 

Samstag, 22. Dezember, 2012: Heute mit Paullin, unserem Fahrer, aufs Land gefahren. Seinen klapprigen Toyota mit Rechtssteuerung hat er nicht in Japan, sondern in Dubai gekauft und mit dem Schiff nach Rwanda bringen lassen. Das Wetter ist warm, aber nicht sonnig. Vielleicht kommt Regen auf. Nach einer halben Stunde verlassen wir die Stadt. Eine unendliche Weite empfängt uns. Paullin steuert seinen Wagen flink auf der gut ausgebauten Schnellstrasse Richtung Burundi, dem Nachbarstaat von Rwanda. Er will uns den Grenzposten zeigen. Links und rechts der Schnellstrasse tausende von Menschen auf Fahrrädern oder zu Fuß. Sie tragen oder transportieren schwere Kanister mit Wasser zu ihren Hütten. Paullin sagt, daß diese Menschen oftmals viele Kilometer mit der schweren Last zurücklegen würden. Auch kommen uns Männer und Frauen entgegen, mit großen Bündeln von Holz auf dem Kopf. Sie brauchen dieses Material für das Kochen. Denn die meisten Hütten verfügen nicht über elektrischen Strom. Und dann sind da die Kinder, die gefährlich nahe am Straßenrand kauern und dem spärlichen Verkehr zuschauen. Es muß für sie wohl aufregend sein, den vorbei brausenden Autos nachzuwinken. Hie und da durchqueren wir ein Dorf. Der Fahrer muß dann aufpassen, denn plötzlich wimmelt es wieder von Menschen die überall herumstehen, plaudern, gehen und ohne Rücksicht auf den Verkehr die Strasse überqueren. Am Grenzposten steigen wir aus, schauen hinüber nach Burundi und staunen ob der Stille die hier herrscht. Keinen Verkehr, keine Menschen die über die Grenze wollen, nur vereinzelt Männer in dunklen Büros die auf Arbeit warten. Ich fotografiere die drei Flaggen vor dem Hauptgebäude und merke plötzlich, daß wir auf Burundischem Boden stehen. Die Flagge von Burundi weht nämlich ein bißchen höher als jene von Rwanda und der Afrikanischen Union. Beim verlassen des Grenzpostens, zurück Richtung Rwanda, läßt der schwer bewaffnete Soldat den Mast erst hochheben, nachdem ihm Paullin den Grund unseres Besuches und das Ziel unserer Weiterfahrt erklärt hat.

 

Nach wenigen Kilometern wird es sehr holperig. Paullin will uns an den See bringen, wo es Krokodile und Flußpferde geben soll. Wir fahren im Schrittempo durch Bananenhaie, an kleinen Hütten vorbei wo Menschen davor ihre kleinen Gärten bestellen, vorbei an Kindern die uns zuwinken und zurufen und vorbei an kleinen Kirchen, die weiß Gott wer dorthin gestellt hat. Hie und da begegnet uns ein Mann in Anzug und Krawatte und Frauen in Sonntagsgewändern. Und alles ist sauber hergerichtet. Nirgends Abfall! Es herrscht große Armut, aber kein Elend. Die Menschen hier leben wirklich "im Busch". Nun kann ich diese gängige Redensart endlich einordnen. Nach langer Holperfahrt taucht der See auf. Wir sind fast die einzigen Menschen, die am Ufer stehen und auf Krokodile warten. Unweit von uns feiern Menschen ein Fest. Die Musik ist laut und afrikanisch und alle die durch die etwas verwahrloste Hotelanlage gehen, bedienstete oder Gäste, tänzeln fröhlich vor sich hin. Ein idyllischer Ort, eine Naturoase wie man sie bei uns kaum noch vorfindet. Bunte farbige Vögel und Wassertiere aller Art leisten uns beim Mittagessen Gesellschaft. Wir sitzen erhöht auf farbigen Mauerpodesten, der Krokodile wegen! Es fällt auf, wie langsam die Menschen hier in Afrika gehen. Alles geschieht im Zeitlupentempo. Nicht nur das Gehen, auch die Verrichtungen der täglichen Art. Es überrascht uns deshalb nicht, daß wir eine halbe Ewigkeit auf das Essen warten müssen. Doch als es da ist, schmeckt es ausgezeichnet.  Die fahrt zurück nach Kigali geschieht in rasantem Tempo. Paullin will zurück zu seiner Familie. Ich sitze vorne neben ihm und es ist mir nicht ganz wohl. Mein verstohlener Blick auf den Tankanzeiger läßt schlimmes befürchten. Er steht auf null. Was, wenn wir nun irgendwo in diesem "Niemandsland" stehen bleiben? Wir sind erleichtert, als wir die Ränder von Kigali erreichen. Es ist schon fast ein Nachhause-Kommen. Wir geben Paullin, was ihm gehört, verabschieden uns herzlich von ihm und wünschen ihm und seiner Familie fröhliche Weihnachten. 

 

Noch ein paar Worte zu unserem Hotel in Kigali. Es ist das wohl berühmteste Hotel von ganz Rwanda. Mille Collines heißt es. Es thront auf einem Hügel, mit traumhafter Aussicht auf die Stadt und die umliegenden Berge. Gleich um die Ecke wohnt der Staatspräsident, Paul Kagame, und unweit davon weht die Schweizerfahne vor der Schweizer Botschaft. Wer den Film "Hotel Rwanda" gesehen hat, kann sich ein Bild von dieser wunderbaren Anlage machen. Wir haben uns in diesem Hotel sehr wohl gefühlt. Es wird von einem sehr charmanten Direktor und von wunderbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt. Wir meinten zu spüren, daß in den Räumen des Hotels noch immer ein Hauch der Geschichte von damals weht. Man spürt einen großen Respekt allen Menschen gegenüber, die darin wohnen.

 

Ich zitiere zum Schluß Wikipedia:

Der Film erzählt die auf einer wahren Begebenheit beruhende Geschichte des Hôtel des Mille Collines in Kigali während des Völkermordes in Ruanda im Frühjahr 1994. In dem seit vielen Jahrzehnten bestehendem Konflikt zwischen der Bevölkerungsmehrheit der Hutus und den politisch wie wirtschaftlich dominierendenTutsi wird am Abend des 6. April 1994 das Flugzeug des Präsidenten Juvénal Habyarimana beim Landeanflug auf Kigali abgeschossen, was die Auseinandersetzungen eskalieren lässt. Daraufhin sterben in Ruanda in nur 100 Tagen ca. eine Million Menschen durch Gewalttaten von Hutu-Milizen, Militär- und Polizeiangehörigen. Im Mittelpunkt des Films steht der Hotelmanager Paul Rusesabagina und das Schicksal seiner Familie. Paul übernimmt die Leitung des Vier-Sterne-Hotels „Des Milles Collines“, nachdem der belgische Hoteldirektor abgereist ist. Paul gelingt es, seine Familie und die Nachbarfamilien vor Hutu-Rebellen zu retten, indem er den Anführer mit Geld besticht. Zudem darf er seine Familie mit ins Hotel nehmen. Nachdem die Rote-Kreuz-Schwester Pat Archer zusätzlich zwanzig Waisenkinder in das Hotel bringt, gewährt Paul schließlich mehr als 1200 Flüchtlingen den Zutritt ins Hotel.

Die Weltöffentlichkeit scheinen die Völkermorde in Afrika wenig zu interessieren. Das planmäßige Vorgehen der Génocidaires – vor allem in Form der Interahamwe-Miliz ist organisiert: Der Radiosender Radio-Télévision Libre des Mille Collines hetzt die Hutu zusätzlich auf. Währenddessen hat der UN-Colonel Oliver Schwierigkeiten, zusätzliche Interventionen aus dem Ausland zu bekommen. Die UN-Soldaten dürfen nicht in gewalttätige Auseinandersetzungen eingreifen. Die neu eingetroffenen UN-Soldaten helfen nur den ausländischen Hotelgästen beim Verlassen des Landes. Zudem ist damit das letzte Hindernis beseitigt, das die Hutu-Milizen davon abhalten könnte, die Flüchtlinge im Hotel zu töten.

Paul gelingt es, den kommandierenden General der Hutu-Milizen zunächst mit alkoholischen Getränken und Bargeld zu bestechen. Als er von Hutu-Milizen dennoch gezwungen wird, das Hotel zu räumen, ruft Paul den Sabena-Präsidenten Tillens in Belgien an. Daraufhin ruft dieser den französischen Staatspräsidenten an und erreicht, dass die Hutu-Milizen rechtzeitig den Befehl zum Abzug erhalten. Colonel Oliver und Paul Rusesabagina erwirken schließlich auf eigene Faust die Evakuierung der Flüchtlinge. Nach zahlreichen Appellen und Telefonanrufen der Flüchtlinge ins Ausland schaffen sie es, daß diese aus Ruanda ausreisen dürfen. Während die Flüchtlinge mit den Lastwagen zu einem Flüchtlingslager an der Grenze gefahren werden, kämpfen die Hutu-Armee und die Tutsi-Rebellen immer noch gegeneinander. Pauls Frau Tatiana findet im Flüchtlingslager ihre beiden kleinen Nichten, die Kinder ihres Bruders Thomas Mirama und ihrer Schwägerin, die offenbar ums Leben gekommen sind. Pauls Familie wird schließlich nach Belgien ausgeflogen.